Thiergarten, Stadion und malerisches Wohnen rund um den Märchenbrunnen

Märchenbrunnen auf einer Postkarte von 1899, Verlag:v. Joh. Pet. Haarhaus Söhne; Elberfeld. Der Märchenbrunnen wurde von den Architekten Hermanns & Riemann gestiftet und von dem Kölner Bildhauer Wilhelm Albermann entworfen; der Brunnen wurde 1897 eingeweiht, Postkarte: Sammlung Schneider

Thiergarten, Stadion und malerisches Wohnen rund um den Märchenbrunnen

1. Ausgangslage

Vedute Sonnborn, August Lange, 1878

Der äußerste Westen Elberfelds war in den 1880er Jahren eine weitgehend intakte Kulturlandschaft mit bewirtschafteten Feldern und Wäldern. Siedlungsschwerpunkt war Sonnborn. Im Wupperbogen hatte sich bereits 1835/37 die Weberei-und Spinnerei August Jung angesiedelt, seinerzeit eine der größten und modernsten Textilfabriken. Im Umfeld des höher gelegenen Herrenhauses hatte sich August Jung, der damalige Besitzer von Gut Hammerstein, schon 1828 von dem Düsseldorfer Hofgärtner Maximilian Friedrich Weyhe einen englischen Landschaftspark anlegen lassen. Weyhe gilt als der bedeutendste Gartengestalter im Rheinland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Die naturschöne Lage der Berghänge, die noch frische Luft und die weitgehend unbebaute Landschaft lockte einige wohlhabende Elberfelder Familien, hier ihre Sommerhäuser zu errichten:

i. Erste Sommerhäuser

Sommerhaus Meckel

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Ehem. Sommerhaus Meckel, 1850 von dem Schreinermeister und Bauunternehmer Friedrich Untenschrievers erbaut, Foto: Carl Abel 1953

Schon um 1850 ließ sich der Elberfelder Kommerzienrat Meckel ein Sommerhaus errichten. Es ist erhalten und liegt heute mitten im Zoologischen Garten. Genutzt wird es als Verwaltungshaus.

Sommerhäuser Hugo Baum (abgebrochen) und Emma Baum

Um 1870 ließ der Elberfelder Textilfabrikant Hugo Baum ein Sommerhaus auf dem Boltenberg errichten zusammen mit einem großzügigen Landschaftspark. Die malerische Villa mit vielen verspielten Zitaten alpenländischer Holzarchitektur wurde vermutlich von dem renommierten Berliner Architekten Hermann Ende entworfen.

In unmittelbarer Nachbarschaft folgte 1878 das Sommerhaus seiner Schwägerin Emma Baum. Der dazu gehörige Landschaftspark wurde wohl von dem Düsseldorfer Gartenarchitekt Rosorius geplant. Das Haus, die Villa Waldau, ist erhalten.

Haus Sonneck I (abgebrochen)

Villa Haarhaus mit den für Siesmayer typischen Blumenbeeten, Foto: um 1890

1881 folgte das Sommerhaus von Adolf Haarhaus, vormals Teilhaber der Textilfabrik Krugmann & Haarhaus, oberhalb der Gaststätte Zum Alten Kuhstall (heute Da Vinci), nicht erhalten. Auch diese Villa war von einem Landschaftspark umgeben, der ab 1881 an den Zoologischen Garten grenzte. Geplant wurde der Garten von Heinrich Siesmayer aus Bockenheim bei Frankfurt, der auch den Landschaftspark für den Zoo anlegte. Später erwarb Henry Böttinger, Schwiegersohn von Friedrich Bayer, Direktor und Aufsichtsratsvorsitzender der Bayer AG, das Anwesen, ließ die Villa für sich umbauen und später in unmittelbarer Nachbarschaft eine zweite noch größere Villa errichten. Auch diese Villen sind nicht erhalten.

Das Sommerhaus von August und Selma von der Heydt

Sommerhaus v. d. Heydt, Auf der Königshöhe 1/1a, außen rechts Anbau mit Turm vom Jahre 1899 (Architekt Jakob Schlösser), dazwischen der Bau von 1885, links der älteste Bauteil, Foto 2006

Vor 1880 erwarb August von der Heydt ein landwirtschaftliches Anwesen auf der Königshöhe oberhalb des heutigen Zoogeländes. Gleich nach dem Kauf veranlasste er die Aufforstung eines stattlichen Geländes (Selmaschonung), das Anlegen von Wanderwegen und die Errichtung eines Aussichtsturms. Um 1885 wurde an das schlichte bäuerliche Steinhaus eine malerische Villa angebaut und um 1900 noch einmal erweitert. Nur der Architekt des letzten Anbaus ist bekannt: Jakob Schlösser, der auch die Villa in der Hubertusallee 23 erbaut hat. Der gesamte Komplex ist erhalten, auch das vorgelagerte ehemalige Kutscherhaus von 1900.

August von der Heydt gehörte zu den großen Gründerpersönlichkeiten des Wuppertals. Er war Bankier, Teilhaber des Bankhauses von der Heydt, Kersten & Söhne, das zusammen mit dem Barmer Bankverein zu den Stammhäusern der heutigen Commerzbank zählt. Darüber hinaus war er ein großer Kunstsammler und -förderer und zeichnete sich durch vielseitiges soziales Engagement aus. Als Mitglied des Elberfelder Verschönerungsvereins setzte er sich maßgeblich für den heutigen Standort des Zoos ein.

ii. Der Zoologische Garten

Zoologischer Garten, Kahnweiher, um 1905

Diese Sehnsucht [der Menschen nach der unberührten Natur] ist es, welche auch in unserer Stadt die Wälder vor der Ausrottung in Schutz nimmt, diese Sehnsucht ist es, welche, unbewußt wirkend, den Anstoß gibt zur Gründung des zoologischen Gartens.
Anonymer Leserbrief vom 27. Juli 1879 (in Elberfeld-West, S. 59)

Die Zerstörung der Natur durch die Industrialisierung und den Bevölkerungswachstum in den Wupperstädten ließ die führenden Eliten nicht nur für sich selbst nach Wohn- und Sommersitzen in noch unbelasteter Natur suchen, sondern auch – zumindest die Verantwortungsbewussten unter ihnen – Naherholungsgebiete für alle schaffen. In Barmen gründete sich bereits 1864 der dem Gemeinwohl verpflichtete Verschönerungsverein, der u. a. die heute noch erhaltenen Barmer Anlagen durch den Düsseldorfer Hofgartendirektor Joseph Clemens Weyhe anlegen ließ.

Sechs Jahre später erfolgte die Gründung des Elberfelder Verschönerungsvereins, der sich u. a. für die Errichtung eines zoologischen Gartens engagierte.
1881 öffnete der Zoo im äußersten Westen der Stadt Elberfeld seine Pforten. Für die Gestaltung des Landschaftsparks wurde der renommierte Gartenarchitekt Heinrich Siesmayer aus Bockenheim bei Frankfurt verpflichtet; ausgeführt wurde sein Plan von dem ebenfalls angesehenen Düsseldorfer Gartengestalter Fritz Rosorius.

Heinrich Siesmayer (1817 – 1900)

Heinrich Siesmayer, der aus einer Gärtnerfamilie stammte, wurde 1817 in Mainz geboren. Seine Ausbildung absolvierte er in den 1830 er Jahren bei dem Frankfurter Stadtgärtner Sebastian Rinz. Im Jahre 1837 leitete Siesmayer die Umgestaltungsarbeiten an den Wiesbadener Kuranlagen. Obwohl er und seine Familie unbegütert waren, begründete er zusammen mit seinem Vater und dem ebenfalls als Gärtner ausgebildeten Bruder Nicolaus in Bockenheim vor den Toren Frankfurts die Gartenbaufirma Gebrüder Siesmayer. Nach ersten privaten Aufträgen kam im Jahre 1857 der berufliche Durchbruch mit dem Ersten Preis beim Wettbewerb zur Anlage des großräumigen Kurparks von Bad Nauheim im Stil eines englischen Gartens.
Heinrich Siesmayer wurde deutschlandweit bekannt und schuf zahlreiche private und öffentliche Anlagen, unter denen der Frankfurter Palmengarten (1868 – 1871) die größte Aufmerksamkeit in der Fachwelt und bei Gartenliebhabern erlangte. Vor allem in Süddeutschland und im benachbarten Ausland häuften sich die Aufträge, die der Bockenheimer Betrieb mit 400 festen Mitarbeitern und zusätzlichen Hilfskräften ausführte …
Im Wuppertal führte Heinrich Siesmayer ab 1880 private und öffentliche Aufträge aus.
(Mahlberg)

Zoologischer Garten, Warmhaus für Strauße, Dromedare etc., um 1890, nicht erhalten

Das Restaurationsgebäude

Da die Stadt Elberfeld erst um 1900 ihre große Stadthalle bekommen sollte, wurde für den zoologischen Garten ein stattliches und repräsentatives Empfangsgebäude geplant und ein Wettbewerb ausgeschrieben. Die eingereichten Bewerbungen wurden aber nicht umgesetzt. Stattdessen erhielt der Elberfelder Architekt Rudolf Kayser den Auftrag für den Entwurf und ebenfalls für die Bauleitung.

Rudolf Kayser, Restaurant des Zoologischen Gartens, 1881, Foto: 1905, Straßenfront

Der spätere Ausbau der Gartenseite erfolgte nach Plänen der Architektengemeinschaft Hermanns & Riemann, die auch die Villenkolonie entwarfen.

Bahnhof Zoo, Siegfriedstraße, Foto: Herbert Günther, 2013

Die Bürger konnten den Zoologischen Garten zu Fuß (1 Stunde vom Elberfelder Zentrum), mit der Pferdebahn, die bis in die Varresbeck ausgelegt war, oder mit der Eisenbahn erreichen. Die Staatsbahn hatte zunächst bis zur Fertigstellung des malerischen Bahnhofs Zoo einen provisorischen Haltepunkt eingerichtet. Die Eisenbahnstrecke Elberfeld – Cronenberg bekam einen Haltepunkt Boltenberg, der zu einem Nebeneingang des Zoos führte.

Ab 1900 war das Zooviertel auch mit der neuen Schwebebahn erreichbar.

2. Die malerische Villenkolonie

Bebauungsplan der Villenkolonie von den Architekten Hermanns & Riemann, 1893/94

Die Planung der Villenkolonie durch die Architekten Hermanns und Riemann

Die Planung der Villenkolonie erfolgte durch die Architektensozietät Hermanns & Riemann aus Elberfeld. Das Bauland musste erst erschlossen und ein Straßennetz angelegt werden. Die ersten Musterhäuser entstanden 1894/1895.

Rudolf Hermanns (1853 – 1909)

Hermanns wurde 1853 in Neuss geboren, studierte an der TH in Aachen Bauingenieurwesen und ging in den Staatsdienst. 1879 wurde er Regierungsbauführer und 1884 Regierungsbaumeister. Sein Betätigungsfeld war ein Brückenbau bei Aachen, der Bau eines Postgebäudes in Kassel, die Bauleitung für den Bahnhof Hanau-Nord. Die Begegnung mit Kuno Riemann im Jahre 1885 veranlasste ihn, den Staatsdienst zu verlassen und eine Architektensozietät mit Riemann in Elberfeld zu gründen. Vom Wuppertal und seinem Umland versprachen sie sich lukrative Aufträge.

Kuno Riemann (1851 – 1928)

Riemann stammte aus Gardelegen, einer Kleinstadt im nördlichen Sachsen-Anhalt. Er studierte an der Berliner Bauakademie und später an der TH in Hannover. Auch er war bis zu seiner Begegnung mit Hermanns im Staatsdienst tätig.

Villa des Architekten Kuno Riemann
Haus Grüneck, Herthastr. 2, 1894/95 Foto wiki cc Atari 2011; das Haus hatte Riemann für sich selbst entworfen

Zwischen den beiden Partnern bestand eine erfolgversprechende Arbeitsteilung. Rudolf Hermanns fühlte sich vor allem für den kaufmännischen und technischen Teil verantwortlich, während Kuno Riemann als der kreative Kopf des Unternehmens galt.
Das Architektenduo hatte schon nach kurzer Zeit den Durchbruch geschafft:
in Barmen zeugten das Bankhaus Schwarzschild, Fischer& Comp. sowie die Barmer Volksbank für Präsenz im Stadtbild,

in der Schwesterstadt Elberfeld rühmte man neben dem Gesellschaftshaus Verein am Neumarkt vor allem das 1887 errichtete Gebäude der Bergisch-Märkischen Bank Ecke Königsstraße/Casinostraße. (Mahlberg)


Das letztere Gebäude brachte die Architekten allerdings auch ins Gerede, weil sie mutmaßlich Ideen aus dem stattgefundenen Architektenwettbewerb entlehnt haben sollten.

Luftschrägbild vom Zool. Garten (1928), rechts oben die Villa Boettinger (Sonneck II)

Das Zooviertel wurde von den Architekten bewusst als begrünte Villenkolonie mit Alleen angelegt, also Straßen mit beidseitigem Baumbestand. Das Straßennetzt folgt zwar dem traditionellen rechteckigem Raster und nicht dem neuen zeitgenössischen Konzept der Gartenstadtbewegung mit dem Gelände angepassten Serpentinen; aber das Raster wurde durch kleinere und größere Plätze aufgelockert. Die klassische Straßenanlage begünstigte außerdem spannende Sichtachsen.

Die ausgewählten Straßennamen, die mehrheitlich der germanischen Sagenwelt entlehnt waren, zeigen die bewusste Inszenierung der Villenkolonie als romantischen Sehnsuchtsort. Für den größten Platz, an dem insgesamt sieben Straßen zusammenkommen, stifteten die Architekten einen Märchenbrunnen, der von dem Kölner Bildhauer Wilhelm Albermann angefertigt wurde.

Märchenbrunnen vor der Villa Wotanstr. 4, Foto wiki cc Im Fokus 2017

Von dem Verkauf der Häuser versprach sich das Architektenduo ein gutes Geschäft. Die Grundstücke waren relativ klein, die Villengröße entsprechend angepasst. Zielgruppe war das mittlere Unternehmertum, Freiberufler wie Rechtsanwälte oder gut verdienende höhere Beamte. Das Briller Viertel blieb nach wie vor die erste Adresse für die gesellschaftliche Elite Elberfelds. Zunächst errichteten die Architekten fünf Musterhäuser, malerische Villen,

die die historistische Stilvielfalt spiegelten und die eine gewisse stilistische Bandbreite hatten, um den unterschiedlichen Geschmack potentieller Käufer zu treffen.
Der erhoffte Zuspruch blieb zunächst aus. Die Situation verbesserte sich mit der Planung von Einfamilienhäusern in Reihenbauweise in der Kaiser-Wilhelm-Allee und von Mehrfamilienhäusern an der Peripherie des Viertels in der Siegfriedstraße.

Die Architekten Hermanns und Riemanns hatten Planung, Erschließung und Bebauung der Villenkolonie zunächst allein „gestemmt“ und waren in wirtschaftliche Schieflage geraten. Ab 1905 übernahm eine Terraingesellschaft die weitere Planung, bei der nun auch andere Architekten zugelassen wurden.

Naturheilanstalt in der Wotanstraße 15 und Kurhaus

Ganz im Geiste des Zurück zur Natur der Jugendstilbewegung, der Sehnsucht nach schönem und gesunden Leben im Umfeld einer intakten Natur wird die Villenkolonie geplant. Als Standort wird der äußerste Westen der Stadt Elberfeld in weitgehend unbelasteter Natur direkt unterhalb des Waldes und in direkter Nachbarschaft zum Zoologischen Garten gewählt.
Nicht von ungefähr richtete Sofie Garschagen, eine aus Elberfeld stammende Naturheilerin, 1904 in der gesunden Luft des Zooviertels in der Wotanstaße 15 eine Privat-Krankenanstalt ein,

um Patienten mit Naturheilverfahren und vegetarischer Diät zu heilen. Aufgrund der rechtlich prekären Lage und anhängenden Gerichtsverfahren – Sofie war keine klassische Ärztin, und das Haus verfügte nicht über die obligatorischen Räumlichkeiten eines normalen Krankenhauses – ergriff sie die Initiative zur Errichtung eines modernen Sanatoriums oberhalb des Zoologischen Gartens. 1912 schied Sofie Garschagen aus der Kurhaus GmbH aus und setzte ihre Arbeit in Bad Godesberg fort. (Speer, Sofies heilende Hände).

Kurhaus Waldesruh, In den Hülsen, Boltenberg, Foto vor 1910
Wotanstraße 15, 1904, links; hier unterhielt Sofie Garschagen ihre Privatkrankenanstalt Foto: Markus Arndt, 1998

Heute befindet sich am Haus Wotanstraße 15 eine Gedenktafel zum Leben und Wirken der Künstlerin und Philanthropin Hanna Jordan (1921 – 2014), die bis zu ihrem Tod hier wohnte. Hanna Jordan war eine über Wuppertal hinaus bekannte und erfolgreiche Bühnenbildnerin und Mitbegründerin des Nachbarschaftsheim e. V. am Platz der Republik.

Die Häuser Wotanstraße 15 und 17 weisen schönstes Jugendstildekor auf.

Exkurs: Tiergartenstraße

Tiergartenstr. 256, Foto um 1910

Auf dem Bebauungsplan von 1893/94 ist ganz oben links neben dem Schriftzug Kiesberg die zu diesem Zeitpunkt bereits im östlichen Teil mit Mehrfamilienhäusern dicht bebaute Tiergartenstraße zu sehen. Das neue Villenviertel am Zoo tangierte an dieser Stelle ein gewachsenes Arbeiterviertel, deren Bewohner die am Wupperufer gelegenen chemischen Fabriken – darunter die Bayer AG – oder das städtische Gaswerk zu Fuß erreichen konnten. Um 1886 hatte eine rege Bautätigkeit eingesetzt; Hermanns und Riemann besaßen auch zwei Parzellen in der Tiergartenstraße und waren damit betraut, bei der Neubebauung die Einhaltung der städtischen Bauvorschriften zu überwachen und vermutlich auch bei der Fassadengestaltung Einfluss zu nehmen. Aus den Einwohnerbüchern der Stadt Elberfeld kann man ablesen, dass sowohl die Häuser der ursprünglichen Bebauung und ganz besonders auch die neuen Mietshäuser sträflich überbelegt waren. Um 1900 beherbergten 21 neue Mehrfamilienhäuser 236 Mietparteien! Das Arbeiterviertel am Kiesberg gehörte zu den Hochburgen der Linken im Wuppertal, die zugleich zu Bollwerken gegen den Nationalsozialismus werden sollte und ist somit ein wichtiger historischer Erinnerungsort.

3. Jugendstilakzente im malerischen Erscheinungsbild

Wohnhäuser Kaiser-Wilhelm-Allee, Ansicht um 1910, Wuppertal-Elberfeld, Zooviertel, zwischen 1902 und 1907 durch Hermanns & Riemann erbaut

i. Jugendstildekor

Eingang Wotanstr. 10, Foto: Ewald Schlimbach 2020

Ab 1901/02 greifen Hermanns und Riemann die Zeitströmung auf und übernehmen Jugendstilelemente im Sinne einer Erweiterung und stimmungsvollen Steigerung des malerischen Bauens. Es sind vor allem die der Natur entlehnten floral-dynamischen und weniger die geometrischen Motive.

Obwohl der Natur entlehnt, charakterisiert sie doch eine naturferne, stilisierte Umsetzung. Eine besondere Rolle spielt die Linie, die von Naturformen wie Rankpflanzen, Lilien, Meereswellen oder auch langem Frauenhaar inspiriert und oftmals bis zu einem dynamischen Liniengeflecht abstrahiert wird.

Diese Gestaltungsprinzipien ließen sich in der architektonischen Gesamtgestaltung besonders gut in formbaren Materialien wie Stuck, Gusseisen, Glas-Eisenkonstruktionen für Überdachungen, Veranden, Gartenpavillons, das Gitterwerk von Umzäunungen, Türen und Fenster realisieren, oder auch im Glasmosaik mit seiner Kontur betonenden Bleilotfassung.

Jaegerstr. 8 Portal, Foto: Ewald Schlimbach 2020
Jaegerstr. 8, Detail Foto: Ewald Schlimbach 2020

ii. Bergische Bauweise

Ernst Ruppel, Herthastr. 3, 1909 Foto: Markus Arndt 1998

Ab 1909 tauchen im Zooviertel Zitate der Bergischen Bauweise auf – vor allem in der Dachlandschaft – in barocken und klassizistischen Giebelvariationen und bereichern das malerische Repertoire der Villen um die bergischen Farben Schwarz-Weiß-Grün. Das Spannungsfeld zwischen restaurativer und moderner Interpretation der regionalen Bautradition ist auch im Zooviertel greifbar. mehr…

Zu den eindrucksvollsten Bauten einer neuen Bergischen Bauweise gehören die Wohnhäuser der Architekten Ernst Ruppel und Heinrich Plange. Beide Architekten werden 1910 in einer Veröffentlichung des Stadtbaurats Schönfelder und des Stadtbauinspektors Lehmann (der Stadt Elberfeld) über vorbildliche Bauten in Bergischer Bauweise lobend erwähnt.

Die Villen von Ernst Ruppel (1857 – 1939)

Herthastr. 3
Ernst Ruppel, Herthastr. 3, Foto: wiki cc wnwtal 2016

1909 erbaut Ruppel im Auftrag der Terraingesellschaft die beiden Villen Herthastraße 3 und Kaiser-Wilhelm-Allee 10. Im Haus Herthastraße 3 verbindet Ruppel die bewegten Formen des englischen Landhauses vor allem mit Motiven der Bergischen Bauweise, die er vornehmlich in der Dachlandschaft, in verschiedenartigen Giebel- und Fensterformen zu einer stimmungsvollen, malerischen Gesamtwirkung variiert. Das Haus Kaiser-Wilhelm-Allee 10 zeigt eine schlichtere und modernere Interpretation der Bergischen Bauweise

und verbindet sie mit Motiven des floral-dynamischen und geometrischen Jugendstils. Originell präsentieren sich die Nord- und Ostansichten. Besonders der Eingangsbereich beeindruckt durch ein großes figuratives Element. Bei der Westansicht muss der Betrachter über Umbauten und Restaurierungsbedarf hinwegsehen. Beide Villen weisen neben individuellen Stuckdekors ähnliche kleinere Reliefs auf: stilisierte und geometrisch eingebundene florale Formen, die auch in den Reihenhäusern der Freyastr. 47-53 auftauchen.

Etwa zur selben Zeit werden die Zeilenhäuser Freyastraße 47-53 ebenfalls im Auftrag der Terraingesellschaft erbaut. Stilistisch sind sie dem Architekten Ruppel zuzuschreiben. Die Einfamilienhäuser zeigen eine variantenreiche Verwendung des geschweiften Barockgiebels, der sich in der Eingangsüberdachung wiederholt bzw. sich in einen klassischen Giebel verwandelt. Zusammen mit der Materialvielfalt aus gelbem Ruhrsandstein für die Sockel, rotem Klinker für die Säulen und schwarzer Verschieferung mit weißem Holzwerk ergibt sich eine spannende malerische Wirkung. Originell ist die Verwendung der Farbe Rot, die sowohl in den Dächern, den Säulen der Portiken und Loggien auftaucht und die harmonische Wirkung des Bergischen Dreiklangs Schwarz-Weiß-Grün aufbricht.

Die Schmuckreliefs weisen den Weg zur mutmaßlichen Inspirationsquelle für seinen charakteristischen malerischen Stil und vor allem für die Herthastraße 3: die Villa Vogel in Vohwinkel, Scheffelstraße 42, die bereits 1907 von Emanuel Seidl erbaut wurde. Seidl gehörte um 1900 zu den führenden Architekten Deutschlands. mehr…

In direkter Nachbarschaft zur Villa Vogel hatte Ruppel die beiden Doppelhäuser Arndtstraße 1/3 und 5/7 errichtet.
Auch die ebenfalls in einem vergleichsweise modernen Heimatstil erbaute Villa Kaiser-Wilhelm-Allee 22 aus dem Jahre 1913 könnte von Ernst Ruppel für die Terraingesellschaft geplant worden sein.

Freyastraße 47-53

Kaiser-Wilhelm-Allee 22

vermutl. Ernst Ruppel, Kaiser-Wilhelm-Allee 22, 1913, Foto: Markus Arndt 1998

Die Heinrich Plange (1857 – 1942) zugeschriebenen Villen

Hubertusallee 16

Haus Wittenstein Hubertusallee 16, 1907, Foto: wiki cc Im Fokus 2017

Heinrich Plange war zu seiner Zeit der führende Architekt des bergischen Unternehmertums und wohl auch der Plan gebende Architekt der Historischen Stadthalle. mehr… Seine ihm zugeschriebenen Villen im Zooviertel weichen vom übrigen Erscheinungsbild der Villenlandschaft ab, fallen auf,

weil sie als einzige eine Werksteinfassade aufweisen. Die schlichten Sandsteinfassaden signalisieren Zurückhaltung und gleichzeitig Selbstbewusstsein, Geschmack und Wohlhabenheit der Bewohner durch die Ästhetik eines kostbaren Materials.

Die Häuser Hubertusallee 16 und 18 sind heute Sitz der Technischen Akademie Wuppertal.

Wotanstr. 4

Wotanstr. 4, Haus Werner Schmidt mit Märchenbrunnnen, 1910, Foto: wiki cc Im Fokus 2017

Freyastraße 42

Freyastr. 42, Haus Hugo Kaulen, 1913/14, Foto: Axel Kirchhoff 2003

Querverweis/ Anker: Heinrich Plange/ Renommierte Architekten um 1900

Mit ihrer zurückhaltenden Eleganz, den moderaten und doch malerischen Zitaten des Neobarocks und des Bergischen Bauens, vorzugsweise in der Dachlandschaft und dem sparsam eingesetzten Ornament sind die Villen Beispiele einer gemäßigten Moderne. Die Hubertusstraße 16 überrascht geradezu in ihre Originalität, einem spannungsvollen Gegensatz von Ruhe und Bewegung,

Symmetrie der Achsen und einem ausladenden, eleganten Giebelschwung über die gesamte Straßenfront, zurückhaltendem Fassadendekor und Konzentration einer Ornamentfülle in stilisiert-dynamischen Barockformen über der Mittelachse. Die Straßenfassade kann sicher den gelungenen avantgardistischen Werken des Aufbruchs um 1900 zugerechnet werden.


iii. Moderner Klassizismus

Hubertusallee 18

August Biebricher, Villa Eisfeller, Hubertusallee 18, 1913/14 Foto: wiki cc Atamari 2011

August Biebricher (1878 – 1932)

Dass der seinerzeit bekannte Krefelder Architekt August Biebricher auch im Wuppertal gebaut hatte, ist eine neuere Entdeckung.
Biebricher gehört zu den Wegbereitern des Neuen Bauens und wurde 1982/ 83 mit einer Ausstellung im Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld geehrt.

Das Haus Hubertusallee 18 von 1913/14 ist ein Umbau des ehemaligen Wohnhauses von Rudolf Hermanns. Es repräsentiert eine moderat moderne Interpretation des neuen klassisch symmetrischen Villentyps so wie ihn Otto Wagner in Wien entwickelt hatte und z.B. von Peter Behrens in den Häusern Cuno oder Schröder in der Nachbarstadt Hagen umgesetzt wurde.

Freyastraße 81

Das Mehrfamilienhaus Freyastr. 81 aus dem Jahre 1922 knüpft in seiner Formensprache direkt an den Klassizismus der Villa Eisfeller, Hubertusallee 18 an.

Herausragende Villen im Umfeld der Villenkolonie

Villa Boettinger, Villa Sonneck II, um 1900, erweitert 1906 (abgebrochen)
Villa Boettinger, Westseite (rechts der spätere Erweiterungsbau), Bildpostkarte von 1924

Am westlichen Rande des Zoologischen Gartens – im Bereich der heutigen Elefantenanlage – lässt sich Henry Theodor Boettinger eine Villa im Englischen Landhausstil erbauen. Der Architekt war vermutlich E.E. v. Ihne aus Berlin. Der Park, der die Villa umgab, wurde vermutlich auch von dem renommierten Gartenarchitekten Heinrich Siesmayer entworfen, der ja schon den Plan für den Zoo und für das Haus Sonneck I angefertigt hatte. 1906 wurde die Villa vermutlich durch Heinrich Plange erweitert und war damit sicherlich die beeindruckendste Villa im Wuppertal,

ein Zeugnis der großen Vergangenheit und Bedeutung der Stadt Wuppertal.
Boettinger war mit einer Tochter von Friedrich Bayer verheiratet und avancierte im Unternehmen bis in den Vorsitz des Aufsichtsrats. Die Villa, die sich zuletzt in städtischem Besitz befand, wurde in den 1970er Jahren abgebrochen – ein herber Verlust für die architektonische Landschaft. Erhalten geblieben ist das Pförtnerhaus, das zusammen mit dem Parkgelände dem Zoo zugeschlagen wurde. mehr…

Villa Gustav Baum, heute Villa Mittelsten Scheid / Vorwerk Academy
Heinrich Plange, Villa Gustav Baum, Zur Waldesruh 45, 1902/03 Foto: wiki cc Im Fokus 2017


Bereits 1902/03 hatte Heinrich Plange für die Familie des Elberfelder Textilfabrikanten Gustav Baum ein großes Sommerhaus im Englischen Landhausstil auf dem Boltenberg erbaut, einer der Gründe für die Zuschreibung des Erweiterungsbaus der Villa Boettinger an Heinrich Plange.


2011 kaufte die Firma Vorwerk die Villa. Zusammen mit einem neuen Gästehaus dient die Villa heute als werksinterne Fortbildungsstätte.

mehr…

Villa Adolf Coeler 1902/03
Villa Hülseneck, Foto 2013, Südostansicht

Auf dem oberen Boltenberg wurde 1902/03 das Sommerhaus für den Elberfelder Kaufmann Adolf Coeler gebaut. Der Entwurf stammte von Heinrich Metzendorf (1866 – 1923) für das Architekturbüro Georg Haude in Elberfeld. In seinen frühen Jahren hatte Metzendorf zusammen mit Haude eine Architektensozietät gebildet. Zum Zeitpunkt des Entwurfs arbeitete Metzendorf bereits wieder in seiner hessischen Heimat.
Heinrich Metzendorf, wie auch sein Bruder Georg, gehören zu den bedeutendsten deutschen Architekten des kreativen Aufbruchs um 1900. Mit seiner Reformarchitektur, einer modernen Interpretation des hessischen Heimatstils, gilt er als der Baumeister der Bergstraße. Bekannt sind nicht nur seine dortigen Villen, sondern auch seine Häuser für die Odenwaldschule in Oberhambach, die zu den führenden privaten Reformschulen zählte.
Im Wuppertal – vor allem im Briller Viertel – hat Heinrich Metzendorf ein größeres und interessantes Frühwerk in der Tradition des 19. Jahrhunderts hinterlassen. Das malerische Sommerhaus auf dem Boltenberg mit Zitaten des Bergischen Heimatstils zeigt schon seine modernere Handschrift.

Villa Waldschlösschen
Villa Waldschlösschen, Zur Waldesruh 30; von Ludwig und Carl Conradi 1910/11 erbaut, Foto: 1922

4. Die 1920er Jahre

Stadion Elberfeld, Schildwand der Tribüne, Foto; Hugo Schmölz, Köln, 1924

Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Bautätigkeit jäh unterbrochen. Das Kriegsende 1918 war auch das Ende des deutschen Kaiserreichs. Deutschland war nun eine Demokratie. Die Uhren der Weimarer Republik waren auf allgemeinen Neubeginn gestellt, so auch in der Architektur im Wuppertal.
Noch waren die Schwesterstädte Elberfeld und Barmen nicht vereinigt; die Gründung der Stadt Wuppertal erfolgte erst 1929. Ihren glanzvollen Zenit hatten beide Städte inzwischen überschritten. Barmen früher als Elberfeld. In Elberfeld herrschte noch Aufbruchsstimmung. Stadtbaurat Koch entwickelte den ehrgeizigen Plan, eine Neue Stadtbaukunst zu etablieren, eine moderne, weitgehend ornamentfreie Architektur, die an die kubische Architektur in Wien oder Glasgow um 1900 anknüpfte, so wie sie nun u. a. von den Künstlern am Weimarer Bauhaus proklamiert wurde. Das Ornament gehörte jetzt der überwundenen restaurativen Epoche des Kaisertums an, ihrem Plüsch und Pomp.
Der Bauimpuls der 1920er Jahre sollte die architektonische Landschaft Wuppertals nachhaltig bereichern. Die Kehrseite der Ächtung des Ornaments waren allerdings auch herbe Verluste vor allem der Abriss des Jugendstilbahnhofs Döppersberg.
Der Schwerpunkt der kommunalen Bauaufgaben lag weitgehend im Siedlungsbau, um die Wohnungsnot zu bekämpfen. Für Elberfeld stand außerdem das Prestigeobjekt, die Errichtung eines modernen Stadions an. Als Standort wurde das Areal unterhalb des Zoologischen Gartens gewählt.
Das Zooviertel wurde also zu einem Schwerpunkt der Elberfelder Bautätigkeit: im Umfeld des Zoos entstanden die Siedlung Heimatplan, mehrere herausragende Villen und eine der modernsten und schönsten Sportanlagen Deutschlands mit einer spektakulären Radrennbahn.
Das Stadion am Zoo sollte für ein halbes Jahrhundert zum Schauplatz nationaler und internationaler Sportgroßereignisse werden – auch von unrühmlichen Spektakeln nationalsozialistischer Massenevents.

i. Das Stadion am Zoo von 1924

Eine Kampfbahn muß durch die Schönheit ihrer Anlage fesseln. Der Einbau angelehnt an ansteigende Höhen, an einen Park oder Wald, an einen Fluß, muß auch dann in Erwägung gezogen werden, wenn dadurch ein etwas entfernteres Gelände zu wählen sein würde. (Carl Diem, 1926)

Das Stadion am Zoo musste dem Verfasser des Zitats beim Schreiben des Textes vor Augen gestanden haben. Am Ufer der Wupper gelegen, angelehnt an die ansteigenden Höhen des Boltenbergs, eingebettet zwischen Fluss, Villenkolonie, Zoologischen Garten und dicht bewaldetem Berghang, fesselt es in der Tat durch seine naturschöne Lage und die Schönheit seiner Architektur. Carl Diem gehörte zu den führenden Sportfunktionären Deutschlands, hatte schon vor dem ersten Weltkrieg die Sportstätten der USA bereist, seine Erfahrungen in einem Wegweiser für den Bau städtischer Sportanlagen festgehalten und 1922 den Entwurf eines Spielplatzgesetzes vorgelegt, das den Bau von Stadien im gesamten Reich auf den Weg brachte.
Die Lebensreformbewegung zu der auch die Jugendstilbewegung zählte, hatte das Bewusstsein dafür gestärkt, wie wichtig die Natur, ihre Schönheit, ihre frische Luft, ihr sauberes Wasser sind, wie wichtig der Aufenthalt und die Bewegung in einer intakten Natur für die körperliche und geistige Gesundheit der Menschen ist. Der Sport und seine Vereine wurden zu einem wichtigen gesellschaftlichen Faktor. Der Erste Weltkrieg hatte die Notwendigkeit des Volkssports noch dringender gemacht.

Die Volksgesundheit hatte gelitten, der Wohnungsbau hatte brach gelegen; die Menschen in den Städten lebten auf engstem Raum. Die 1920er Jahre der Weimarer Republik wurden zu einem Jahrzehnt des Sports (Skrentny).
Der Bau von Sportstätten war nicht nur eine ideelle nationale Aufgabe, die Kommunen erhofften sich auch eine neue Einnahmequelle, was sich im Fall des Elberfelder Stadions allerdings als Fiasko erwies.
Der Bau des Stadions wurde zu einem riesigen finanziellen Kraftakt für die Stadt. Große wirtschaftliche Turbulenzen u. a. hervorgerufen durch die Kriegsreparationen und die wachsende Inflation, belasteten die Republik und schlugen auch auf die Kommunen durch.
Dem Elberfelder Abgeordneten Friedrich Roth, der als Vater des Stadions in die Annalen der Stadt eingehen sollte, gelang es, ein Kölner Konsortium für das Projekt zu interessieren, das schließlich 45 % der Anteile an der neu gegründeten Bergischen Stadion AG bekam, 5 % mehr als die Stadt selbst. So kam es, dass grundlegende Planungsentscheidungen, die Bau leitenden Architekten und die ausführenden Unternehmen vom Kölner Konsortium bestimmt wurden und aus Köln kamen.

Entwurf zum Stadion Elberfeld von Theo Willkens und Theo Nussbaum (Köln, September 1924)

Das Elberfelder Stadion wurde als Großkampfbahn, d. h. als multifunktionale Wettkampfstätte für sportliche Großveranstaltungen im Bergischen und darüber hinaus im Westdeutschen Raum geplant. Vorgesehen waren ein zentrales Spielfeld (Rasenplatz) für Fußball und Feldhandball, umgeben von einer Laufbahn und Sprunganlagen für die Leichtathletik,

zwei Tennisplätze und ein Fußballübungsplatz; die Turnhalle daneben wurde erst 1927 erbaut. Zuschauermagnet sollte eine moderne, auf dem neuesten Stand der Technik stehende Radrennbahn sein. Mit den Kölner Architekten Theo Nussbaum und Theo Willkens und dem Dresdner Ingenieur Hellner verpflichtete die Stadion AG ein hochqualifiziertes Team.

Theo Nussbaum (1885 – 1956)

Theo Nussbaum war Garten- und Landschaftsarchitekt. Zur Zeit des Stadionbaus arbeitete es als Gartenbaumeister in Köln u. a. im Bereich der Grüngürtelgestaltung unter der Leitung des damaligen Gartendirektors Encke. Ab 1926 setzte Nussbaum als Nachfolger von Encke die Kölner Grüngürtelgestaltung fort. Für seine Entwürfe zum äußeren Grüngürtel wurde er 1936 ausgezeichnet. Theo Nussbaum war auch am Entwurf des Köln-Müngersdorfer Stadions beteiligt.
Das Elberfelder Stadion und das Niederrheinstadion in Oberhausen entwarf er zusammen mit Theo Willkens. Nussbaum war wohl für die Gesamtkonzeption, die Flächenaufteilung, das Einfügen in die topografische Lage und die Gestaltung der Grünflächen zuständig. Vermutet wird auch sein Einfluss auf die Gestaltung des Eingangsbereichs mit Restaurationsgebäude, Vorhof und Seitengebäuden, der wie eine moderne Interpretation barocker Schlossarchitektur wirkt.

Theo Willkens (1887 – ?)

Über seine Biografie und seinen Werdegang ist wenig bekannt. Er wurde 1887 in Köln geboren und arbeitete seit 1919 als selbstständiger Architekt. Hervorgetreten ist er vor allem im Siedlungsbau der 1920er und 1930er Jahre und hat dort zusammen mit Architekten gebaut, die der Avantgarde des Rheinischen Expressionismus zuzurechnen sind.

Ingenieur E. Hellner, Dresden

Offenbar war er der Spezialist für Radrennbahnen. 1909 hatte er schon die Bahn für das Barmer Stadion und wohl auch die Radrennbahn für das Berliner Stadion entworfen. Etwa zeitgleich entwarf er die Bahnen für das Müngersdorfer Stadion in Köln und das Elberfelder Stadion am Zoo.

Restaurationsgebäude, 1924, Foto: wiki cc Mbdortmund 2010

Die Architektur der Gebäude wurde in einer vergleichsweisen modernen Formensprache der 1920er Jahre realisiert und repräsentierte somit das Prestigeensemble einer neuen Elberfelder Stadtbaukunst. Elemente historischer Baustile, überwiegend aus dem klassizistischen, aber auch barocken Repertoire wurden – wie z. B. bei Wagner in Wien um 1900 – schnörkellos umgesetzt oder zeichenhaft zitiert, und so eine gelungene moderne Ästhetik erzeugt, die auch heute noch überzeugt. Das Ensemble aus Restaurationsgebäude mit Seitenflügeln, Hof und Vorhof erinnert an eine barocke Schlossanlage.

Das ausladende Dach des Restaurationsgebäudes mit seinen Dachgauben und rückwärtigen Ausluchten, den Seitentürmen mit spitzen Kegeldächern nehmen Bezug auf die vielgestaltigen Dachlandschaften des benachbarten Villengebietes. Die zwischen die Fenster des Obergeschosses platzierten dynamischen Liniengeflechte sind dem Jugendstildekor entlehnt und expressiv variiert. Mit den spitz aufgeworfenen Dreiecken im Gesimsband und in den Dachgauben verwendet Willkens Motive des rheinischen Expressionismus.

Stadion Elberfeld, Schildwand der Tribüne nach der Restauration, Foto: wiki cc im Fokus 2017

Die Haupttribüne mit ihrer Flachdachkonstruktion ist dem Neuen Bauen der 1920er Jahre noch näher. Sie besticht durch die ruhige Eleganz der Fassadengliederung, die verhaltene Dynamik einer kaum wahrnehmbaren Anlehnung an das Stadionoval.

Historische Zitate wie Blendarkaden, Mittelrisalit mit Dreiecksgiebel, zinnenbekrönte Ecktürme sind zeitgemäß transponiert, die Bauvolumina in die Fläche reduziert und in Linien umgesetzt.

Großveranstaltungen im Stadion

In den 1920er Jahren rollt eine Welle der Sportbegeisterung an. Menschenmassen drängen in die Stadien. Für vier Jahrzehnte sollte das Stadion am Zoo Teil dieser Welle sein. Die großen Publikumsmagnete waren Fußball, Leichtathletik und Radrennen. Und die Elberfelder Radrennbahn galt als eine der besten in der Welt. Ein besonderer Höhepunkt waren die Radweltmeisterschaften des Jahres 1927 in Deutschland. Das Stadion am Zoo wurde Ausrichtungsort der Steherrennen. Die Leichtathletikära Wuppertals mit internationalen Sportfesten, die bald 40 000 Zuschauer anlocken sollte, begann 1932. 1938 fand ein erstes originäres Fußballländerspiel im Stadion statt … Ein weiteres Phänomen der Zeit war das Aufkommen von Massenveranstaltungen mit Tausenden von aktiven Teilnehmern nicht nur aber überwiegend aus dem turnerischen Bereich des Vereins – und des Schulsports.

So gehörten Massenveranstaltungen, schwerpunktmäßig mit sportlichen Anteilen, von Anbeginn an zum Veranstaltungsrepertoire des Stadions. Ein erster Höhepunkt war die Bergische Tausendjahrfeier im Jahre 1925. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden nach und nach alle Lebensbereiche instrumentalisiert, gleichgeschaltet, auch der Sport und die Massenveranstaltungen. Das Wuppertaler Stadion wird in den 1930er Jahren zum Schauplatz von NS-Großveranstaltungen. Ein Wahlkampfauftritt von Adolf Hitler lockt 50 000 Wuppertaler ins Stadion. Für Ernst Thälmann, den Kandidaten der Kommunisten, verzeichnet die Chronik immerhin 40 000 Teilnehmer. Bei Wahlkampfauftritten der Flügelparteien im Stadion ist ganz Wuppertal in Aufruhr; die Anhänger liefern sich erbitterte Straßenkämpfe.

Großereignis Foto: Hugo Schmölz, Köln 1928

Die Restaurierung von 1991 bis 1993

Stadion am Zoo, Tribüne, Foto: wiki cc P. Schubert 2013

Schon vor der großen Instandsetzung des Stadions anfangs der 1990er Jahre, die Restaurierung und moderne Überbauung in einem war, hatte es erhebliche bauliche Erweiterungen und Veränderungen gegeben, beginnend mit dem Bau einer Turnhalle am Wupperufer im Anschluss an den Übungsplatz. Kaum sieben Jahre nach der Einweihung des Stadions fing am 14. Februar 1932 die Haupttribüne – im Kern eine Holzkonstruktion – Feuer und brannte bis auf die Grundmauern ab. Das angesetzte Fußballspiel fand trotzdem statt. Beim Wiederaufbau wurde die Holzkonstruktion durch Eisenbeton ersetzt, die Tribünensitzordnung durch die Einrichtung von Logen verändert. Das Dach wurde in den Stadioninnenraum hinein verbreitert und bis zu den Ecktürmen durchgeführt. Auf die Wiederherstellung der kegelartigen Bedachung der Seitentürme und die durchlaufende Traufe wurde verzichtet.
In den 1960 er Jahren wurde das Osttor abgerissen und eine Dekade später erfolgte die erste Demontage der Radrennbahn. Die legendäre Radrennbahn hatte ausgedient; der Wuppertaler Fußball erlebte nach den 1950 er Jahren seine zweite Blütezeit. Fußballfans des Wuppertaler Sportvereins füllten das Stadion. 1700 neue Sitzplätze auf der Gegengerade, näher am Geschehen auf dem grünen Rasen, wurden geschaffen. Als die große Restaurierung in den 1990 er Jahren erfolgte, war die hohe Zeit des Wuppertaler Fußballs schon wieder Geschichte.

Doch für die architektonische Landschaft Wuppertals war die aufwendige Restaurierung ein bedeutender Gewinn.
Ausgeführt wurde die Restaurierung der Haupttribüne durch das Architekturbüro Schuster aus Düsseldorf und Duisburg, die als Preisträger aus dem Architektenwettbewerb von 1987 hervorgegangen waren. Die lange Planungs- und Umsetzungsphase lässt die Schwierigkeiten erahnen, das Abwägen zwischen Aspekten der Denkmalpflege, architektonischer Gestaltung, technischer und finanzieller Machbarkeit. Das größte Problem stellte die Schaffung eines tragfähigen Fundaments dar bei gleichzeitigem Erhalt der denkmalgeschützten Schildwand.
Die gestalterische Lösung der Wettbewerbsvorgaben durch das Architekturbüro Schuster ist ein ästhetischer Genuss: eine technisch raffinierte, nahezu freischwebende Dachkonstruktion überspannt das Tribünengebäude weit ausladend nach allen Seiten, präsentiert die im Wesentlichen gerettete Schildwand, das eindrucksvolle Zeugnis vergangener Baukunst, geradezu museal, überhöht seine im Reiz der Schlichtheit gründende Schönheit, offenbart seine Modernität. Gleichzeitig erlaubt die transparente Konstruktion den Blick in die Landschaft und integriert auf diese Weise die Architektur in die Schönheit der Natur.
Inzwischen ist der pragmatische Rückbau der einstigen Multifunktionsanlage in ein Fußballstadion

Thilo Küpper, Vision 2020, Abb.: area 42 Entwicklungsgesellschaft m.b.H.

fortgeschritten, die einstige Großzügigkeit des Ovals aber auf der Strecke geblieben. Und der Wuppertaler Fußball dümpelt weiter in den unteren Klassen dahin.
Bleibt zu hoffen, dass sich die visionäre Planung eines kreativen Wuppertaler Investors durchsetzt, der das legendäre historische Stadion und architektonische Kleinod wieder zukunftsfähig machen und zu einer spektakulären Location entwickeln will – auch im Bewusstsein, dass der gesamte Denkmalbereich Villenviertel, Zoologischer Garten und Stadion in seiner Einzigartigkeit, seiner Schönheit und Ruhe durch eine intelligente Verkehrsführung, Parkplatz- und Lärmregulierung erhalten bleiben muss.

Thilo Küpper,Vision 2020, Abb.: area 42 Entwicklungsgesellschaft m.b.H.

ii. Die Villen von Friedrich Siepermann

Siepermann wurde 1891 in Barmen geboren und besuchte zunächst die örtliche Baugewerkschule. Anschließend studierte er an der TH in München und machte dort ein Praktikum im Architekturbüro vom Paul Ludwig Troost. Troost stammte aus Elberfeld und gehörte seiner Zeit zu den aufstrebenden Architekten Münchens und sollte zum Wegbereiter nationalsozialistischer Architektur werden; er war gewissermaßen der Vorläufer des Führerarchitekten Albert Speer. Während des 1. Weltkrieges arbeitete Siepermann für die Hamburger Stinnes Werft im U-Bootbau. Seine erste Villa entwarf er für ein Mitglied der Stinnes-Dynastie in der Elbchausseestraße in Hamburg.

Bevor seine Karriere als erfolgreicher Villenarchitekt im Wuppertal begann, arbeitete er noch zwei Jahre für das renommierte Architekturbüro Breuhaus de Groot in Köln.
Der Auftakt für seinen Erfolg war ein 1. Preis in einem Architektenwettbewerb zur Neugestaltung der Elberfelder Innenstadt im Sinne der Neuen Stadtbaukunst. Aus Geldnot wurde der Entwurf nicht realisiert, machte Siepermann aber bekannt und ließ ihn zu einem begehrten Villenarchitekten und Hausarchitekten für die Seidenfabrik Gebhard und ihre Familienmitglieder avancieren. (Mahlberg)

Haus Grünebaum, Donarstr. 17, 1924/25, Foto: wiki cc Im Fokus 2017

Die letzte herrschaftliche Villa im ursprünglichen Planungsgebiet des Villenviertels wurde 1924/25 auf dem weitläufigen Grundstück zwischen Baldurstraße und Wotanstraße für den jüdischen Kaufmann Alfred Grünebaum errichtet; und diese Villa ist auch die einzige im Viertel,

die konsequent in der Tradition des neuen Englischen Landhausstils ausgeführt wurde. In dieser Konsequenz wirkt die Villa Grünebaum origineller und moderner als andere Villen im Englischen Landhausstil, vergleichbar nur mit der Villa Gebhard auf dem Boltenberg aus dem Jahre 1922/23.

Haus Max Gebhard, 1922/23 erbaut, Boltenberg, Südansicht 1924, Zur Waldesruh Nr. 141

Bei den späteren und kleineren Villen Freyastraße 40 (1927) und 46 (1928) nähert sich Siepermann der kubischen Bauauffassung des Neuen Bauens – auch in der Verwendung der Eckfenster und des Bullaugenmotivs –

verwendet aber weiter Zitate des englischen Landhausstils wie die Kaminzüge und gekuppelte Fenster. Die Schlagläden sind dem Bergischen Bauen entlehnt.

Freyastr. 46, 1928, Foto: wiki cc Im Fokus, 2017
Freyastr. 46, 1928, Detail des Hauses mit Kamin

Außerhalb des Villenviertels, aber gut einsehbar vom Selmaweg, erbaut Siepermann 1929 auf großzügigem Grundstück ein Landhaus mit eigenständiger Remise für die Familie des Margarinefabrikanten Isserstedt.

Villa Max Isserstedt, 1925 erbaut, Elberfeld, Hindenburgstraße Nr. 88/90, SW-Ansicht um 1926

iii. Die Siedlung Heimat 1927 – 1930

Entwurf der Siedlung Heimat von Architekt BDA August Kegel, Foto: R. Vogelsang vor 1929

Die Siedlung wurde im Auftrag einer 1926 gegründeten Angestelltengewerkschaft in den Jahren 1927 – 1930 von dem Elberfelder Architekten August Kegel (BDA) erbaut. Zielgruppe der Mehrfamilienhäuser waren also mittelständische Angestellte. Die Siedlung steht unter Denkmalschutz.

Relief aus der Siedlung Heimat, Foto: vor 1987
Siedlung Heimat, Foto: vor 1987, Skulpturengruppe (Entwurf W. Koopmann)

Erschlossen wurde das Bauland oberhalb des Villenviertels durch die im 1. Weltkrieg von Kriegsgefangenen erbaute Hindenburgstraße. In breiten Serpentinen schlängelt sie sich den steilen Berghang hinauf. Mit dieser Straßenführung und einer großzügigen Begrünung mit Bäumen und weiten Rasenflächen werden Ideen der Gartenstadtbewegung um 1900 übernommen. Die Gesamtanlage, die Gruppierung der einzelnen Häuser, die Farbgebung (Ocker) und die ausladenden Walmdächer erinnern an eine barocke Residenz, greifen das barocke Motiv des Stadioneingangs auf. Die Häuser selbst sind ähnlich wie dieser Teil des Stadions in einer moderaten Moderne mit überwiegend barocken Zitaten und expressionistischen Elementen realisiert. Die sparsam eingesetzten Ornamente zeigen moderne expressive Züge. Daneben gibt es auch – heute befremdlich wirkende – liebliche Putti.

Die Reliefs und die figürliche Plastik stammen von dem Bildhauer Wilhelm Koopmann (1878 – 1946), dessen Atelier sich zu dieser Zeit in Sonnborn befand. Koopmann ist auf der Liste Juden in Wuppertal vermerkt. Seine Wuppertaler Werke wurden 1933 und im 2. Weltkrieg zerstört.